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Sonntag, 5. Februar 2012

Domenico dell'Allio

 "Dell-Allijev-Fenster" - Quelle: On the Trace of Domenico dell'Allio 
Am 22.Juni 1558 verlieh Kaiser Ferdinand I. Domenico d' Allio und seinen Nachkommen (und derer gab es viele und ebenso tüchtige) ein Adelspatent als "architector et artifex insignis, Edler des Königreiches Böhmen". In Kroatien werden die für ihn typischen Fensterformen bis heute "dell-Allijev-Fenster" genannt!

Domenico dell'Allio (um * 1515 in Scaria, nach anderen Quellen um 1505 in Lugano, † 1563 in Graz oder in Kroatien) als Spross einer großen Künstlerfamilie geboren, verwendete im Grazer Landhaus die Pfeilerarkade als Leitmotiv seiner Renaissancearchitektur, ist aber nicht nur als Baumeister des wichtigsten Grazer Monuments hervorzuheben. Dieser um 1560/70 entstandene Bau, mit den für Domenico dell'Allio typischen Fensterformen (Biforien und Triforien), besticht vor allem durch die Harmonie seiner mehrgeschossigen Pfeilerarkaden. Es ist für diese Bauten auffallend, dass die architektonische Gliederung und ihre Proportion über den Dekor dominieren. Dell'Allios Vater war unter anderem auch in Radkersburg tätig, die beiden Brüder in Marburg (Maribor) und in der ehemaligen Untersteiermark. Hauptwohnsitz Domenicos wurde Graz. Neben dem Admonter Hof und dem Eisernen Tor gebührt seinem Hauptwerk, dem Landhaus, sicherlich die größte Aufmerksamkeit. Die steirische Landschaft beauftragte ihn in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Francesco Marmoro und dessen Bruder Antonio Marmoro mit der Errichtung der wichtigsten Repräsentationsbauten in Graz. Das Grazer Landhaus, dessen Haupttrakt ein Werk Domenicos ist, zählt heute zu den bedeutendsten Renaissancedenkmalen nördlich der Alpen.

Dell-Allijev-Fenster. Der Geist der Renaissance lässt sich nicht nur in der Residenzstadt Graz aufspüren, auch ins Land drang er vor; das sogenannte "Duscherhaus" in Schöder bei Murau sei genannt, wo die Doppelbogenfenster aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine deutliche Sprache reden. Fenstermotive dieser Art (auch Schloss Stadl bei Murau) gehen auf eben diesen wichtigsten steirischen Baumeister des 16. Jahrhunderts, eben auf dell'Allio, zurück. Er trug besonders mit dem Bau des Grazer Landhauses und Arbeiten an der Festung Warasdin / Varaždin zur Verbreitung oberitalienischer Renaissanceformen in der Steiermark und im nördlichen Kroatien bei. In Kroatien werden die von ihm favorisierten und typischen Fensterformen (Biforien und Triforien) bis heute "dell-Allijev-Fenster" genannt! Die italienischen Architekten waren eben nicht nur Spezialisten im Festungsbau, sie hinterließen ihre unübersehbaren Spuren auch im profanen Bereich. Religiöse Streitigkeiten lähmten damals die Bautätigkeit der Kirche, umso mehr bauten die italienischen Spezialisten zahlreiche Stadthäuser, Palais, Schlösser und andere Bauwerke im Stil der italienischen Renaissance.
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"Verwelschung". Im 16. und 17. Jahrhundert wanderten zahlreiche Italiener, zu jener Zeit "Welsche" genannt, in den steirischen Raum ein. Diese "Welschen" kamen vorwiegend aus dem Herzogtum Mailand, aus den südöstlichen Regionen der Schweiz und der Republik Venedig; weiters aus den südlichen Gebieten Innerösterreichs sowie aus den Hafenstädten Triest und Fiume/Rijeka. Auffällig dabei ist, dass die Mehrheit der Bau- und Künstlerfamilien aus Como, dem nordwestlichen Teil der Lombardei, stammten. Diese sogenannten Comasken kamen vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in großer Zahl in das Herzogtum Steiermark.

Unter Domenico dell´Allio entstand auch eine Art Baumeisterschule, die in der Steiermark und an der sogenannten slawonisch-kroatischen Militärgrenze wirkte. Von Mitte des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zählt man an die einhundertzwanzig italienischen Baumeister, die in der Mittel- und Untersteiermark tätig waren. Diese Dominanz italienischer Bauleute wurde von den steirischen missmutig zur Kenntnis genommen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatten die Italiener auch in der Maurer- und Steinmetzzunft die führende Position inne. 1638 beispielsweise bestand der Zunftvorstand aus elf italienischen und nur einem steirischen Meister. Mit der Stelle des Hofbaupoliers wurden zwischen 1565 und 1663 ausschließlich Italiener betraut.

Er war der Doyen einer Schule von über hundert Comasken, die er mit sich gezogen hatte und die im 16. Jahrhundert an vielen Festungen zur Abwehr türkischer Expansion aber auch an anderen Bauwerken in Österreich, Kroatien und Slawonien gearbeitet haben. Deutsche Namen nehmen sich in der Vielzahl der italienischen Baumeister in dieser Zeit als Seltenheit aus, und man hat deshalb von der "Verwelschung der Baumeisterzunft" gesprochen.

Militärarchitektur. Die Hauptursache für diese Wanderbewegung stellten allerdings die politischen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts dar: Die Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich führten zur Notwendigkeit, die Festungen zu erneuern und sie den veränderten Kampftechniken anzupassen. Mit Domenico dell'Allios Berufung zum römisch kaiserlichen Oberbaumeister der Innerösterreichischen Lande wurde auch für viele italienische Bauleute der Weg nach Österreich geebnet. Domenico nutzte seine Position, um Landsleuten aus der Gegend von Como und Lugano gut bezahlte Stellungen im Baugewerbe zu verschaffen. Zudem war es wegen der brisanten politischen Lage von großer Wichtigkeit, diese baulichen Erneuerungen rasch und in allen Städten gleichzeitig von erfahrenen Baumeistern, und das waren die Italiener, in Angriff zu nehmen.

Mit seinen Kenntnissen in der Fortifikation - er war einer der bedeutendsten Techniker und Ingenieure der Kriegsbaukunst seiner Zeit - kontrollierte er für Graf Ungnad u.a. Bauarbeiten an Befestigungen in Kopreinitz / Koprivnica, Kreuz / Križevci und Festung Ivanić / Ivanić Grad. Er wirkte bei den Befestigungsanlagen sowohl in Klagenfurt (Plan zur Stadtbefestigung, 1535 vermutlich Einfluss auf Schickhardts Plan für Schloss Freudenstadt, 1599) als auch wie erwähnt in Graz (Bebauungsplan der Stadt nach Großfeuer, 1540 Ausstattung eines Stadtschlosses mit Basteibefestigung nach italienischer Art, 1543, fortgeführt 1557) wie auch an den Befestigungsanlagen 1544 in Wien mit.

Bereits die erste "Türkenbelagerung" Wiens (1529) hatte gezeigt, dass die mittelalterliche Stadtbefestigungen den modernen Belagerungstechniken nicht mehr gewachsen war. Kaiser Ferdinand I hielt sich während der Belagerungszeit Wiens in Innsbruck auf. Wien hatte zur Verteidigung lediglich eine aus dem 13. Jahrhundert stammende 4,5 km lange Ringmauer, die bereits in einem miesen Zustand war. In den innerösterreichischen Ländern begann man aber aus finanziellen und politischen Gründen jedoch erst ab Mitte der 1540er Jahre ein umfassendes Befestigungskonzept zu erstellen. Von Prag aus bestimmte Ferdinand I. am 10. Juli 1544 auf Druck des steirischen Landtages, dass Graz entsprechend der neuen Waffentechnik - d.h. der verbesserten Feuerwaffen und der Artillerie - zu einer angepassten Hauptfestung aus- und umgebaut werden. Man beschloss also, zur Abwehr des expansiven Osmanischen Reiches gut befestigte Plätze zu errichten.
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Italienische Technik. Es war eben eine Zeit der (Türken-)kriege, die von den Baumeistern Wehr- und Verteidigungsanlagen forderten. Schon früher hatten sich anerkannte Künstler mit militärischen Bauten befasst. So auch Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer, der schon im Jahr 1471 eine illustrierte Abhandlung über Befestigungsanlagen veröffentlichte. Dürers Entwürfe zeigten mittelalterliche Rundtürme, die für die Bestückung mit Kanonen modernisiert und mit vertikal gebogenen Zinnen zur Ablenkung einschlagender Kugeln versehen waren. Leonardo da Vinci war als Festungsarchitekt und Erfinder von Belagerungsmaschinen und anderen Waffen anerkannt.

Fast alle Bauformen der italienischen Renaissance, wie Säulen, Pilaster, Tonnengewölbe, Kuppel sind nach den Vorbildern der griechischen oder römischen Antike entstanden. Nur die typischen Elemente der Wehrbauarchitektur wie Bastionen, Horn- und Scherwerke der Stadtbefestigungen sind aufgrund gänzlich anderer Waffentechnik logischerweise ohne antike Vorbilder geblieben. Ihr Einfluss auf das Baugeschehen der Welt war groß: Die Festungsbauten zeigen bis ins 19. Jahrhundert die Formen, die um 1500 in Italien entwickelt wurden und die Architekturgeschichte vermerkt, dass es im 16., 17. und 18. Jahrhundert eigentlich nur einen "Internationalen Stil" gab, nämlich den der Militärarchitektur.

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