"Ganz Europa", so Charles Marlow in Joseph Conrads Roman "Herz der Finsternis" über den machtgierigen Elfenbeinlieferanten Kurtz, für den es viele reale Vorbilder gab, "ganz Europa war am Zustandekommen des Herrn Kurtz beteiligt gewesen." Wie es zu einem der grössten Menschheitsverbrechen kam und welchen Anteil die westliche Welt an dem Zerstörungswerk Leopolds II. und seiner Vasallen im Kongo hatte, darüber schweigen sich die, weche heute in Fortsetzung dieser Politik Truppen in den Kongo schicken, aus. Schon Leopold II. hatte für die Berliner Konferenz nicht anders als heute mit "humanen" Anliegen argumentiert: Es gelte, den "arabischen" Sklavenhandel zu unterbinden, die Wissenschaft zu fördern und "die Wilden" zu kultivieren.
Leopold II. von Belgien (verheiratet mit einer Habsburgerin) heuerte Söldner an und beutete den Kongo derart aus, dass sich die Bevölkerung unter seinem Regime um 10 Millionen Menschen halbierte. Dörfer wurden überfallen, und die Bewohner erhielten den Auftrag, eine bestimmte Menge Gummi zu sammeln, sonst würde das ganze Dorf niedergebrannt. Wer zu fliehen versuchte, wurde erschossen. Als Beweis für den Verbrauch von Gewehrkugeln mussten die Truppen für jede verbrauchte Kugel die Hand des Opfers vorlegen. Die Hände wurden deshalb auch Lebenden abgehackt. Im Grunde funktioniert dies so bis heute unter den vom Westen unterstützten Diktatoren. Die Entsendung von Truppen zur Sicherung von freien Wahlen ist dieselbe Farce wie die Wahlen selbst. Den nach der Staatswerdung Kongos 1960 eingesetzten Präsidenten Lumumba, der eine politisch und ökonomisch unabhängige Politik betreiben wollte, brachte man dazu einfach um und setzte den dafür gedungenen Mörder als Präsidenten ein.
Ein neuer Staat
Der Congostaat ist fertig nun,
Die Grenzen sind bestimmt;
Nun frägt sich's was zuerst zu thun,
Und wie man sich benimmt?
Ein Dutzend Klöster rasch erbaut,
Und diese auf der Stell'
Den Jesuiten anvertraut,
Das andere geht dann schnell
Schnell Congo-Rente emittiert,
Million auf Million,
Die Congo-Zeitung confiscirt,
Die erste Nummer schon.
Und schnell die Steuerschraube her
Drauf losgepresst geschwind,
Bis auch die Weißen kreuz und quer
Hübsch schwarz geworden sind.
aus "Humoristische Blätter" Wien, 8. März 1885
Die Berliner Kongo-Konferenz hatte Bedeutung weit über den Kongo hinaus und forcierte die Kolonialiserung und willkürliche Aufteilung Afrikas. Von da an gab es keine unkoordinierte Besetzung mehr, sondern durchdachte und gut organisierte Ausplünderung. Die Ausbeutung war nicht mehr sporadisch, sondern durch die Enteignung der autochthonen Bevölkerungen systematisch und permanent. Für Deutschland bedeutete de Kongo-Akte schlussendlich auch das "Tauschgeschäft" Sansibar gegen Helgoland, da sie auf Sansibar nach dem in diesem Vertrag festgelegten Effektivitätsprinzip nicht wirklich beherrschen konnten.
Josef Teodor Konrad Nalecz Korzeniowski. Der Autor Joseph Conrad (eigentlich Josef Teodor Konrad Nalecz Korzeniowski) wurde am 3.12.1857 als Sohn polnischer Landsleute in Berdiczew bei Kiew (Ukraine) geboren. Conrads Kindheit und Jugend standen unter dem Eindruck und dem Einfluss der Tatsache, dass sein Vater aus den Reihen der polnischen Freiheitsbewegung jener Zeit heraus verhaftet und nach Sibirien in die Verbannung geschickt wurde. Ohne Zweifel sind in diesem frühen Erlebnis die Anfänge einer Entwicklung zu suchen, die Conrad aus der Heimat fort in seine Wahlheimat England führte, der er nach eigenem Bekenntnis alles Wesentliche seines Lebens verdankte und in deren Sprache - ! - er später das Werk seines Lebens erdachte und niederschrieb.
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Mit Gattin & Sohn |
Er besuchte das Gymnasium in Krakau und ging mit siebzehn Jahren nach Marseille, um Seemann zu werden. England lernte er erst drei Jahre später, im Jahre 1897, persönlich kennen. Als britischer Kapitän befuhr er die Weltmeere und bereiste den Kongo und die Malaiischen Inseln, Schauplätze seiner späteren Romane. Schon als Seeoffizier begann er zu schreiben. Als ein tropisches Fieber ihn zwang, den Seemannsberuf aufzugeben, ließ er sich 1894 als freier Schriftsteller in England nieder. Die englische Sprache, englisches Denken und Fühlen wurde ihm zur zweiten Natur. Eine entscheidende Wendung in seinem Leben brachte dann die Krankheit, die seiner Laufbahn zur See ein Ende setzte und ihn seinem wahren Beruf als Schriftsteller und Dichter zuführte. In den folgenden dreißig Jahren entstanden - oft unter großer materieller Not - die berühmten Romane und Geschichten dieses Autors, der, obwohl er die englische Sprache erst als Erwachsener erlernt, was die Hirnforscher noch heute beschäftigt, zu den großen Meistern der englischen Literatur zählt. Conrad starb am 3. August 1924 in Bishopsbourne/Kent.
Als die bedeutendsten unter den Werken Conrads seien genannt: "Lord Jim", "Nostromo", "Der Nigger vom Narzissus", "Sieg", "Geschichten vom Hörensagen", "Die Schattenlinie" und "Spiegel der See". In Deutschland wurde Conrad vor allem durch die in den zwanziger Jahren im Verlag S. Fischer, Berlin, erschienene Gesamtausgabe der Werke Conrads bekannt. Über seinen Lebensgang hat er selbst in der Autobiographie "Ein persönlicher Bericht" Aufschluss gegeben. Ebenso geschieht das in dem Buch der Erinnerung, das Jessie Conrad, die Gattin Conrads, mit dem Titel "J. Conrad As I Knew Him" veröffentlicht hat.
Apocalypse Now. Das "Herz der Finsternis" regte Francis Ford Coppola zu seinem monumentalen Filmepos "Apocalypse Now" an. Dabei verlegte er die Handlung vom Kongo nach Vietnam und Kambodscha und von 1891 ins Jahr 1968: Ein Helikopter-Angriff zu Wagners Walkürenritt, brennender Dschungel und ein wahnsinniger General, einfach Apocalypse now! Das psychologische Kriegs-Drama ist einer der besten und berühmtesten Filme. Nur wenige wissen, dass für die Reise im Boot flussaufwärts und damit immer tiefer in die eigene Psyche Joseph Conrad mit "Herz der Finsternis" die Roman-Vorlage lieferte, die heute als eines der Initialwerke der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts gesehen wird.
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