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Montag, 21. November 2011

Ohrfeige für Honecker

Bei einem amerikanischen Bombenangriff erlitt Ernst Busch am 22. November 1943 - Häftling der Nazis im Untersuchungsgefängnis Moabit - schwere Kopfverletzung und eine Lähmung der linken Gesichtshälfte. Trotzdem sang er weiter bis zu jenem Tag des Jahres 1961, an dem er Honecker geohrfeigt haben soll.

Zusammen mit vielen anderen deutschen Emigranten wurde Ernst Busch im Mai 1940, als die deutsche Wehrmacht in die Niederlande und Belgien einmarschierte, interniert. Bei einem Fluchtversuch wurde er an der Schweizer Grenze verhaftet, der Gestapo ausgeliefert und ins Berliner Gefängnis Moabit gebracht. Die Anklage gegen Busch lautete »Vorbereitung zum Hochverrat«. Es drohte ihm die Todesstrafe. Durch die Intervention von Gustav Gründgens erhielt er jedoch 1943 »nur« eine vierjährige Zuchthausstrafe.

Busch kann sich bei Gründgens revanchieren: 1945/46 erfolgt eine neunmonatige sowjetische Internierung Gründgens; im Prüfungsverfahren sagen zahlreiche Künstler, unter ihnen Ernst Busch, für Gründgens aus, so dass er im April 1946 entlassen wird. Busch kannte Gründgens bereist seit seiner ersten Theaterstelle in Kiel. Im Dezember 1921 spielte er mit Gustaf Gründgens in »Die letzten Masken« von Arthur Schnitzler beim Vereinigten Städtischen Theater in Kiel. 1929 hatte er Kabarett-Auftritte mit Grethe Weiser und Ernst Busch in der Nelson-Revue.

Ob die Ohrfeige aus der Hand von Ernst Busch Erich Honecker wirklich auch erhalten hat, darüber streiten sich die Leute. Die einen nennen es Legende, andere Verleumdung. Insider wollen jedoch wissen und insistieren hartnäckig darauf, dass er sich erlaubt hatte, Erich Honecker auf einer Parteisitzung zu ohrfeigen. Belegt ist zumindest, dass er der FDJ (Freie Deutsche Jugend) - deren Vorsitzender Erich Honecker von 1946 bis 1955 war - empfahl, ihn »am Arsch zu lecken«.


Seinen Zorn hatte man mit dem Wunsch hervorgerufen, anlässlich der Weltjugendfestspiele - für deren Organisation Honecker verantwortlich zeichnete - die Hymnen der beteiligten Länder abzuspielen. Busch sah verständlicherweise keinen Grund dafür, die Hymnen der damals faschistischen Diktaturen Spaniens und Griechenlands auf DDR Boden aufzuführen. Infolge der heftigen und zum Teil deftigen Auseinandersetzungen mit dem Zentralrat der FDJ, der Parteiüberprüfungskommission und der staatlichen Kunstkommission erhielt Busch zunehmend weniger Möglichkeit, als Sänger öffentlich zu wirken. Wegen zunehmender Krankheit sah sich - nach offizieller DDR-Version - Ernst Busch gezwungen, die Bühne zu verlassen. Jedenfalls wurde er mehr und mehr kaltgestellt und war nur noch auf Schallplatten zu hören.

Ernst Busch († 8.6.1980 in Berlin) wurde am 22. Januar 1900 in Kiel geboren. Ein Jahr nach Beginn des 1. Weltkriegs begann er eine Lehre auf der Kruppschen Germania-Werft als Werkzeugmacher und arbeitete dort u.a. als Facharbeiter im Ventilbau für U-Boote. Busch, der schon seit 1919 privaten Gesangs- und Schauspielunterricht genommen hatte, bewarb sich als Schauspieler beim Vereinigten Städtischen Theater in Kiel und bekam umgehend einen Vertrag. Im Dezember 1921 spielte er mit Gustaf Gründgens in »Die letzten Masken« von Arthur Schnitzler. Sein weiterer Weg führte ihn über das Stadttheater in Frankfurt/Oder (1924-26), die Pommersche Landesbühne (1926/27) zu Erwin Piscators Theater am Nollendorfplatz in Berlin. Dort hatte er seine Premiere in Ernst Tollers »Hoppla wir leben«. 1929 lernte er Hanns Eisler kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Busch und Eisler entwickelten sich zu einem überaus produktiven Gespann. Der eine brachte Texte ein, für die der andere die Melodien komponierte und ihn bei Auftritten oft am Klavier begleitete. Ab 1930 entwickelte sich die Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht.

Anfang März 1933, einige Tage nach dem Reichstagsbrand, emigrierte Busch in die Niederlande. Schon einige Tage später war er über Radio Hilversum mit dem »Kominternlied« und dem »Solidaritätslied« zu hören. Sein weiterer Weg führte ihn über Belgien, London, Zürich, Paris und Wien, nach einem Auftritt bei der 1. Arbeitermusik- und Gesangolympiade in Strasbourg im Juni 1935, schließlich in die Sowjetunion. 1937 fuhr er mit der Journalistin Maria Osten nach Spanien, um den Freiheitskampf vor Ort mit seinen Mitteln zu unterstützen. Nach seiner Ankunft im Sammellager der Internationalen Brigaden in Albacete fuhr Ernst Busch direkt nach Madrid zum Internationalen Kongress der Schriftsteller, an dem u.a. Ernest Hemingway, Andre Malraux, Michail Kolzow, Egon Erwin Kisch, Alfred Kantorowicz, Anna Seghers, Gustav Regler, Willi Bredel, Ludwig Renn, Hans Marchwitza und Bodo Uhse teilnahmen.

Nachdem Busch 1938 Spanien verlassen hatte, lebte er vorwiegend in Antwerpen, wo er nach dem Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 vom Vichy-Regime verhaftet und in den südfranzösischen Internierungslagern St. Cyprien und Gurs festgehalten wurde. Nach geglückter Flucht Ende 1942 wurde er Anfang 1943 an der Grenze zur Schweiz verhaftet, an die Gestapo ausgeliefert und nach Berlin verbracht. Die Anklage gegen Busch lautete »Vorbereitung zum Hochverrat«. Es drohte ihm die Todesstrafe. Durch die Intervention von Gustav Gründgens erhielt er jedoch 1943 »nur« eine vierjährige Zuchthausstrafe, die auch unter dem Gesichtspunkt ausgesprochen worden war, dass Busch während der Untersuchungshaft in Berlin-Moabit am 22. November 1943 bei einem anglo-amerikanischen Bombenangriff eine schwere Kopfverletzung erlitt, die eine teilweise Gesichtslähmung hinterließ. Die Richter sahen für ihn keine Möglichkeit mehr durch Gesang Widerstand und kommunistische Propaganda zu betreiben.

Ungeachtet aller nachkriegsbedingten Widrigkeiten sind für Busch die folgenden Jahre eine Zeit außerordentlich produktiven, fruchtbaren und erfolgreichen Schaffens. In einer späten Notiz schätzt er die Jahre von 1945-1953 als seine »heroische Zeit« ein. 1946 arbeitet er beim Hebbeltheater Berlin, ab 1950 im Brecht-Ensemble des Theaters am Schiffbauerdamm und am Deutschen Theater als Schauspieler und später auch als Regisseur. Ernst Busch produziert in seiner »heroischen Zeit« etwa 150 Liedtitel. Und seine alte, noch in die Weimarer Zeit zurückgehende Idee, die Zeitgeschichte im Lied zu begreifen, krönt er mit der in den sechziger und siebziger Jahren geschaffenen »Chronik in Liedern, Balladen und Kantaten«. Dieses sein »Lebenswerk« kann sich sehen lassen. Es umfasst über zweihundert kommentierte Gesänge auf mehr als 45 Schallplatten. Es ist eine der wichtigsten Liedsammlungen des 20. Jahrhunderts.

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