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Mittwoch, 29. Juni 2011

Der Stuhl Petri in der Türkei

Am 29. Juni 1627 wurde durch Papst Urban VIII. das 29 Meter hohe und 63 Tonnen schwere Barockgebilde, der Baldachin für den Papstaltar im Petersdom von Gian Lorenzo Bernini angefertigt, eingeweiht. Intention von Gian Lorenzo Bernini war der Bischofsstuhl des Apostel Petrus, auf den die Päpste als seine Nachfolger ihren Primat zurückführen.

Stuhl Petri in der Türkei. Über dem Papstaltar errichtete Bernini im Auftrag des Papstes Urban VIII. das Altarziborium. Mit diesem Werk, dessen Höhe (29 m) der des Palazzo Farnese entspricht, einen neuen Typ des Altarziboriums. Ein Gegenstück zum Papstaltar ist die Cathedra Petri in der Chorapsis, ebenfalls ein Werk Berninis (1657-1666). Intention Berninis war der Bischofsstuhl des Apostel Petrus, auf den die Päpste als seine Nachfolger ihren Primat zurückführen. Natürlich war dieser Bischofsstuhl auch eine propagandistische Aussage in Zeiten des Glaubenskrieges und des Streits über die Führung der Christen durch Rom.

Die Frage - ob Petrus je Bischof von Rom, geschweige denn überhaupt je in Rom war, bleibt bis heute ausschließlich Spekulation. Weder aus den biblischen Texten noch aus sonstigen Quellen geht eine derartige Anwesenheit schlüssiger hervor als seine Abwesenheit. Die Wirksamkeit des Petrus in Antiochia - dem heutigen Antakya in der Türkei - ist dagegen unbestritten. Aber auch hier macht ihn die propagandistische  Überlieferung zum ersten Bischof an diesem Ort, der 42 n. Chr. dort seinen Sitz genommen habe - den "Stuhl Petri". 
Das Patriarchat von Antiochia (oder Antiochien) soll vom Apostel Petrus bereits im Jahre 34 n. Chr. gegründet worden sein. Die legitime Nachfolge des Patriarchats beanspruchen nach einer Spaltung im 5. Jahrhundert und weiteren folgenden Spaltungen heute mindestens drei christliche Kirchen für sich. Somit sieht jede Kirche ihren jeweiligen Patriarchen als legitimen Nachfolger des Apostel Petrus auf der Kathedra von Antiochien an. Keiner dieser Patriarchen residiert aber heute noch in der Stadt Antiochia (heute Antakya in der Türkei). Immerhin gilt die dortige "Petrus-Grotte" als erste christliche Kirche der Welt. Die syrisch-orthodoxe Kirche, deren Patriarch einst in Antiochien residierte (heute in Damaskus) besteht bis heute darauf, dass der "Stuhl Petri" von Antiochien älter ist als der "Stuhl Petri" zu Rom und kann als Beleg dafür immerhin die Apostelgeschichte anführen.  
Seit der Kreuzzugszeit bis 1953 gab es auch noch einen Lateinischen Patriarchen von Antiochia, der nach dem Scheitern der Kreuzfahrerstaaten in Rom residierte und keine praktische Funktion mehr hatte. 1953 starb der letzte Amtsinhaber, 1964 wurde der Posten in Übereinkunft von Papst Paul VI. und dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras gemeinsam mit den beiden anderen lateinischen Patriarchaten von Alexandria und Konstantinopel abgeschafft.  
Nach der Apostelgeschichte des christlichen Evangeliums wurden die ersten christlichen Gemeinden auf dem Gebiet der heutigen Türkei von Gläubigen gegründet, die vor der Verfolgung durch Saulus bzw. Paulus aus Judäa flohen. Die Stadt Antiochia wird ausdrücklich genannt. Dort hin wurde Paulus gerufen, nachdem er sich nach seiner Bekehrung eine Zeitlang in seiner Geburtsstadt Tarsus aufgehalten hatte, die ebenfalls in der heutigen Türkei liegt.

Ein dichtes Netzwerk von Städten und jüdischen Gemeinden, eine einheitliche Sprache, religiöse Aufgeschlossenheit – das Gebiet der heutigen Türkei bot den frühen christlichen Missionaren ideale Ausgangsbedingungen. Nicht nur Paulus hat hier gewirkt und die meisten seiner Briefe richteten sich an die Gemeinden in der "Türkei".

In Kleinasien kam es auch zu entscheidenden Weichenstellungen für das junge Christentum: Hier hat sich auf den Konzilen in Nizäa, Konstantinopel und Ephesus der christliche Glaube mit bis heute gültigen Lehrsätzen formiert, hier fiel zum ersten Mal die Bezeichnung „Christen“. Wie überhaupt bis ins 10. Jahrhundert sämtliche Konzilien in Anatolien abgehalten wurden, und zwar in Nizea/Iznik das erste (325) und das siebte (787), in Konstantinopel/Istanbul das zweite (381), fünfte (553), sechste (680 – 81) und achte (869 – 70), in Ephesos das dritte (431), in Chalzedon/Kadiköy das vierte (451). 
Die in der Offenbarung des Johannes erwähnten, Kirchen  liegen in Anatolien: Ephesos (Efes), Smyrna (Izmir), Laodicea ad Lycum (Denizli,Goncali), Sardis (Sart), Pergamum (Bergama), Philadelphia (Alasehir) und Thyatira (Akhisar). Dass der Nikolaus ein "türkischer" Bischof gewesen sein soll, ist hinlänglich bekannt. Ja selbst das "Alte Testament" verzichtet nicht auf die Türkei: Der Ararat in Anatolien war der biblischen Erzählung nach der Ort, an dem der Arche Noah landete.   
Papa. In der römisch-katholischen Kirche stammt die erste bekannte Verbindung des Titels "Papst" mit dem Bischof von Rom aus der Zeit des Marcellinus († 304), der in der Grabinschrift des Diakons Severus so bezeichnet wird. Bischof Siricius von Rom (385–399) bezeichnet sich als erster amtlich als Papa, als ausschließliche Amtsbezeichnung für den Bischof von Rom wird der Begriff von Gregor I. (590-604) gesetzlich festgeschrieben. Vorher (ab dem 3. Jahrhundert) war es eine Ehrenbezeichnung für Bischöfe, Patriarchen und Äbte vor allem im Orient – da die koptische Kirche bereits seit dem Konzil von Chalcedon 451 nicht mehr zur gleichen Kirche wie die lateinische gehört, führt ihr Oberhaupt ebenfalls den Titel Papst. Im fünften Jahrhundert entstehen mehrere Bistümer, an deren Spitze Bischöfe als oberste Priester stehen, die so genannten Patriarchen. Darunter ragen 5 Patriarchate als besonders bedeutend hervor. Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem bilden die Spitzen der "Weltkirche". Seit Leo I. (Bischof von Rom 440 bis 461) führt der römische Papst die Bezeichnung "Pontifex Maximus", die bis zu Kaiser Gratian der römische Kaiser als oberster römischer Priester trug.
Primat. Papst Leo der Große (440-461) wird schließlich das Primat, den Alleinvertretungsanspruch des römischen Patriarchats durchsetzen, indem er den Papst, also sich selber als Stellvertreter Petri definiert. Auf dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 wird allerdings auch dem Patriarchen von Konstantinopel ein Primat zugesprochen, die Ostkirche beginnt sich von der westlich-römischen Kirche zu entfremden. Die Entfremdung gipfelt schließlich im Morgenländischen Schisma von 1054, das die Trennung der römisch-katholischen von der orthodoxen Kirche für immer besiegelt.
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Gian Lorenzo Bernini. (Gianlorenzo Bernini, Giovanni Lorenzo Bernini, Dzhovanni Lorentso Bernini *7.12.1598 Neapel, †28.11.1680 Rom) Er war einer der bedeutendsten italienischen Bildhauer und Architekten. Er hatte maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der barocken Skulptur und Architektur in Rom. Ausgebildet wurde Bernini in der Bildhauerwerkstatt seines Vaters Pietro Bernini (1562-1629).

Metamorphosen. Zunächst wird Bernini mit Skulpturen wie David, die Gruppen Pluto und Proserpina oder Apollo und Daphne bekannt. Sie sind in der Villa Borghese in Rom zu sehen und fallen durch ihre außergewöhnliche Dynamik, Bewegungsrichtung, dramatische Licht-Schatten-Effekte und erregende Gebärden auf. Seine Skulpturen sind stilistisch stark an den Hellenismus bzw. Ovids "Metamorphosen" angelehnt. Das Standbild "Apollo und Daphne", die für Kardinal Borghese geschaffene Statue des "David"(1623-24) oder der Triton-Brunnen (1640) sind die wohl bekanntesten unter ihnen.

Ekstase. Später (1654-62) meißelt Gianlorenzo einem Marmorblock das Kunstwerk "Die Ekstase der Hl. Teresa", heute in der Privatkapelle der Familie Cornaro. Er inszenierte die Verzückung der heiligen Therese von Avila. Ein lächelnder Engel zielt mit einem Pfeil auf das Herz der Heiligen, die zitternd vor Sinnlichkeit erbebt. Mitglieder der Adelsfamilie sehen dem Schauspiel in den seitlichen Logen zu. Spanische Mystik, barockes Lebensgefühl, heidnischer Eros und religiöse Ekstase steigern sich hier zum Glaubenswunder. Der Altar der hl. Therese ist eines der meist bewunderten und zugleich am heftigsten abgelehnten Werke der religiösen Kunst. Bernini schuf ihn im Auftrag des venezianischen Kardinals Cornaro. Nach des Künstlers Meinung sein Meisterwerk als Bildhauer.

Diplomatie. Mit viel Esprit versteht Bernini es, Kurie und Päpste so von seinen künstlerischen Plänen zu überzeugen als wären sie die ihren. Sein wichtigster Förderer, Papst Urban VIII., betraut den jungen Bernini mit dem Bau des Baldachins für den Papstaltar im Petersdom, den Bernini aus Bronze anfertigt (1624-33). Für den Hochadel des Kirchenstaates errichtet oder verschönert er in den Nobelbezirken Roms Paläste, z.B. Palazzo Barberini respektive Palazzo Chigi. Ein kluger Schachzug, schließlich haben die Barberini und Chigi mit Urban VIII. (Pontifikat: 1624-44) und Alexander VII. (1655-67) Familienmitglieder auf den Stuhl Petri gehievt.

Aber der eloquente Künstler wusste auch Pontifex Innozenz X. (1644-55), aus dem mit den Barberinis verfeindeten Haus der Pamphili, in seinen Bann zu ziehen. Als Berninis Fontana dei Quattro Fiumi (Vierstrombrunnen) am 14. Juni 1651 nach dreijähriger Bauzeit von Innozenz enthüllt wird, soll der Papst derart entzückt gewesen sein, dass er das Bauwerk eine volle Stunde von allen Seiten inspizierte. Zentrales Element des Brunnens stellt ein antiker ägyptischer Obelisk dar, auf dessen Spitze eine Taube mit Ölzweig im Schnabel sitzt - der geflügelte Friedensbringer war Symbol des Hauses Pamphili. Die vier um den hochaufragenden Obelisken angeordneten Götterfiguren stellen Donau, Ganges, Nil und Rio de la Plata dar - die damaligen Weltgegenden versinnbildlichend. Der Vierstrombrunnen kann als einzige Allegorie eines allumfassenden Herrschaftsanspruchs des Papstes gedeutet werden. Innozenz X. wusste diese aus Stein geschaffene Metapher zu schätzen.

Petersplatz. Bernini entwarf den Petersplatz zu der neuen Peterskirche (1656-1667). Das Grundrissnetz scheint sehr einfach, man stößt dennoch auf ungewöhnliche Lösungen und versteckte Ausbesserungen. Das Netz ist sehr komplex und ungleichmäßig. Das von Bernini geplante und geschaffene Meisterwerk besteht aus zwei miteinander verbundenen Plätzen: Der erste, größere ist ein an den Längsseiten geöffnetes Queroval; die Schmalseiten schließen über Kreissegmenten errichtete, 17 m breite Kolonnaden, die jeweils aus vier Reihen monumentaler dorischer Säulen und Pfeiler unter einem flachen Gebälk gebildet sind. Außerdem errichtete er im Vatikan die Scala Regia, die von der Kolonnade zu den Audienzsälen führt.

Grabmäler. Die Grabmäler für Urban VIII. und Alexander VII. und das Reiterstandbild von Konstantin zählen zu seinen Werken. Bernini genoss den Erfolg und wurde sogar nach Versailles eingeladen. Gian Lorenzo Berninis beste Skulpturen befinden sich in der Villa Borghese, die bereits erwähnte Verzückung der hl. Therese von Avila in der Kirche Sa. Susanna, die Büste von Innozenz X. in der Galerie des Palazzo Doria Pamphili. Als 70jähriger schuf Bernini die beiden Marmorengel. Sie waren jedoch zu Schade für die Engelsbrücke und gelangen auf Umwege in die Sa. Andrea delle Fratte.

Himmelfahrt. Die Santa Andrea al Quirinale, Berninis letztes und vielleicht eindrucksvollstes Werk gehört zu den Meisterwerken des römischen Barocks, bei dem das Gegenspiel von Kurven und Geraden zur Vollendung geführt ist. Papst Alexander II. erteilte Gian Lorenzo Bernini im Jahre 1658 den Auftrag zu den Bauarbeiten, die 1661 abgeschlossen wurden. Der Innenausbau zog sich aber bis 1675 hin. Über sie empfand Gian Lorenzo Bernini im Alter die größte Genugtuung. Sie ist mit allen Künsten ausgestattet, die der Barock zu bieten hat. Porphyrbekleidete Wände, der Strahlenglanz des Hauptaltars und die vergoldete Kassettendecke der Kuppel scheinen einzig dazu bestimmt, den Zuschauer mit in die Himmelfahrt des heiligen Andreas einzubeziehen.

Frankreich. Jules Mazarin, späterhin Kardinal und Erster Minister Frankreichs, lädt Bernini ein, nach Paris zu kommen. Anfangs will Alexander VII., der im Streit mit dem nationalistischen Kardinal liegt, seinen göttlichen Designer nicht gehen lassen. Einen Trakt des Louvre soll er in Paris verschönern, doch die künstlerische Expedition scheitert am praktisch veranlagten Finanzminister Colbert, der wenig übrig hat für pompösen, aber wenig funktionalen Barock hat. Seine Entwürfe für den Neubau des Louvre (1664-67) in Paris haben, obwohl sie letztlich nicht ausgeführt wurden, doch nachhaltigen Einfluss auf die europäische Profanbaukunst ausgeübt. Schlussendlich meißelt er den Sonnenkönig in Positur, richtet diesem dafür das Haar zurecht, er muss "die Stirn zeigen" und alsbald wird diese Haartracht zur höfischen nouvelle vague.

Francesco Borromini. Papst Urban VIII. hielt Bernini für einen neuen Michelangelo und prompt kritisierte ihn sein Größter Rivale, der schweizstämmige Francesco Borromini (25.9.1599 - 3.8.1667) aus Lugano, dass er nur Michelangelo kopiere. Als Risse im Petersdom auftreten, weiß dieser auch den Grund dafür: Auf dem weichen römischen Boden ist der von Bernini konstruierte südliche Glockenturm schuld, der dreimal so hoch und sechsmal so schwer sei, als er eigentlich sein dürfte. Gegensätze und die Nähe der rivalisierenden Künstler Francesco Borromini und Gian Lorenzo Bernini zeigen sich deutlich in den beiden Kirchen S. Carlo alle Quattro Fontane und S. Andrea al Quirinale. Borromini duldete keine kostspieligen und extravaganten Raumausstattungen, wie sie sein neapolitanischer Rivale verwendete.

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