Am 5. Juli 1855 trat Jacques Offenbach mit der Eröffnung der "Bouffes-Parisiens" erstmals als selbständiger Theaterunternehmer in Erscheinung und begründete damit eine Basis für neue künstlerische Entwicklungen. Die Operette gilt als seine "Erfindung" und die "Offenbachiade" spezifiziert seine musikalischen Satiren.
Opera buffa. Am 5. Juli 1855 gründet der 1819 als Sohn eines jüdischen Kantors geborene Offenbach ein eigenes, kleines Theater. Es ist die Weltausstellung in Paris (1. Mai bis 31. Oktober 1855), die ihn veranlasst von dem zu erwartenden Besucherstrom zu profitieren. Am 4. Juni 1855 erhielt er ein Theaterprivileg, das ihm die Aufführung von Pantomimen und musikalischen Szenen mit höchstens drei Mitwirkenden erlaubte. Es gelang ihm, in einem Holzbau an den Champs Elysees unterzukommen. Er stand unweit des Weltausstellungsgeländes und war 1849 erbaut worden. Offenbach eröffnete dann sein kleines Theater, das er nach der Bezeichnung für seine eigenen Werke "Bouffes-Parisiens" nannte, am 5. Juli 1855. Der zentrale Einakter des Eröffnungsabends hieß "Die beiden Blinden" ("Les Deux Aveugles") und sein enormer Erfolg entschied über die Zukunft von Offenbachs Unternehmung und auch über die künftige Richtung seiner künstlerischen Tätigkeit. Er schuf im Laufe seines Lebens über einhundert Bühnenwerke, meist Vaudevilles und Einakter. Diese sind aber heute nicht mehr so bekannt. In Erinnerung bleiben vor allem seine Operetten, die als Synonym für lockere und unbeschwerte Unterhaltung stehen und die später seine eigentliche historische Bedeutung ausmachten.
In seinem Theater entstehen etliche "Komische Opern", wie "Opéra Bouffe" wörtlich heißt, oder eben "Operette". Die auffälligsten Merkmale der Operette sind der heitere Charakter, der die Musik sowie die gesprochenen Dialoge prägt. Diese Form der Darbietung ist entstanden aus der komischen Oper, und schon seit dem 17. Jahrhundert wurden mit Operette Bühnenwerke bezeichnet, die zwischen die einzelnen Akte einer Oper eingefügt wurden. Im 18. Jahrhundert wurde der Begriff Operette für deutsche Übersetzungen von italienischen Opere buffe und Intermezzi ebenso gebraucht wie für französischen Vaudevilles und Opéras-comiques.
1856 verwendete Jacques Offenbach erstmals die Bezeichnung Operette für eines seiner Werke: "La rose de St-Fleur". Schon 1854 wurden in Paris in einem Theater genannt Folies-Concertants, frivol-spöttische Einakter aufgeführt. Daraufhin gründete Offenbach sein eigenes Theater, die Bouffes-Parisiens. Dessen Eröffnung am 5. Juli 1855 wird gemeinhin als Geburtsstunde der Operette bezeichnet, wiewohl er den Eröffnungseinakter "Die beiden Blinden" ("Les deux aveugles") noch nur als "bouffonerie musicale" bezeichnet. Unkomplizierte musikalische Formen (Chansons, Couplets), volkstümliche Melodien und moderne Tänze wie Cancan, Fandango und Walzer prägten den Charakter dieser neuen Richtung und kamen dem Publikumswunsch nach "leichter Unterhaltung" im Gegensatz zum hochkünstlerischen Musiktheater entgegen. Gerade der Eröffnungseinakter zeigt schon den berühmt gewordenen politischen Witz von Jacques Offenbach: Der blinde Patachon sitzt am Straßenrand: Mit gesanglichen und instrumentalen Kostproben seines Könnens versucht er mühsam, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Kein Passant ist vor seiner akustischen Freigebigkeit sicher. Da erscheint Giraffier auf der Bildfläche – ebenfalls blind, ebenfalls Sänger. Patachon fühlt sich bedroht von der Konkurrenz durch den ungebetenen Kollegen. Man liefert sich spitzfindige Wort- und rasante Liedduelle, kramt in der Melodien-Erinnerungskiste und wird fündig, versucht den Mitstreiter im unausgesprochenen Sängerkrieg zu besiegen. Höhepunkt des absurden Spiels ist ein Kartenspiel der beiden "Blinden".
Exportartikel. Auch Wien hatte bereits eine Tradition von Posse und Gesang. Zudem wurden die Werke von Offenbach rezipiert und an zwei Theatern in Wien gepflegt: dem Theater an der Wien und dem Carltheater. Am 16. Oktober 1858 wurde im Wiener Carl-Theater in der Übersetzung Treumanns erstmals "Die Hochzeit bei Laternenschein" aufgeführt. In den darauf folgenden Jahren beherrschten die Werke Offenbachs die Wiener Operettentheater. Die erste Wiener Operette stammt von Franz von Suppè (Das Pensionat; 1860) und war ebenfalls noch ein Einakter. Die Dreiakter als abendfüllende Werke folgten ab 1870. Die Hauptmerkmale der Wiener Gattung sind die typischen Wienermelodien, ausgedehnte mehrteilige Finali sowie eine dominierende Rolle des Balletts und versinkt im Walzerkitsch wie die "Berliner Operette" in zackigem Marsch-Rhythmus. Lediglich einzelne Werke, wie "Die lustigen Nibelungen" von Oscar Straus (1904), atmen noch einmal Witz und Geist der "Offenbachiaden". Die Wiener Operette nimmt aber so die Stellung einer deutschen komischen Oper ein. Diese relativ starren Formen wurden durchbrochen durch Franz von Lehár (Die lustige Witwe 1905; Paganini 1925; Das Land des Lächelns 1929), dem mit diesen Operetten der Anschluss an die zeitgenössischen Opernkompositionen gelang (Uraufführung der "Giuditta" 1934 an der Staatsoper Wien). Die wichtigsten Vertreter der Wiener Operette waren nach Lehár, L. Fall, R. Stolz und E. Kálmán, dessen Csàrdàsfürstin sowie seine Gräfin Mariza eine eigene Tradition des Ungarischen Operettenkolorits begründete. Zu erwähnen ist auch die englische Operette ab 1880, mit dem erfolgreichsten Komponisten A. Sullivan (Trial by Jury; The Mikado), dessen Triumphe in Amerika Cohen, de Koven und Sousa beeinflusste. Daneben entwickelte sich ab 1920 eine neue Strömung, aus der dann das Musical hervorging.
Offenbachiade. Offenbachs "Komische Opern" zeichnen sich durch die satirische Überzeichnung von Charakteren der Zeit unter Napoleon III. aus. Musikalisch und dramaturgisch stammt sie von der alten Opéra Comique und entwickelt sich unter den spezifischen Bedingungen des zweiten Kaiserreiches in Paris. Unter dem Begriff "Offenbachiade" bürgert sich sogar ein Wort für die Vorliebe des Komponisten ein, die Handlung in der antiken Sagenwelt spielen zu lassen. Die Offenbachiade nimmt nichts ernst und enthält immer aktualitätsbezogene Satire, typisiert sie aber zeitübergreifend. Karikatur, Parodie und Persiflage gehören wesensmäßig zum Element der Offenbachiade. Sie macht sich aber beileibe nicht nur lustig, vielmehr kehrt sie das Untere nach oben und ergreift Partei für die Zukurzgekommenen. So karikiert Offenbach seinen Regenten und das Britische Empire gleichermaßen in "Die schöne Helena". Obendrein ein Schlüsselwerk Offenbachs, da er für die Uraufführung endlich seine Traumheldin findet: Hortense Schneider spielt seit diesem Jahr 1864 in seinen Produktionen die weibliche Hauptrolle.
Jakob Offenbach. Jacques (ursprünglich Jakob) Offenbach (* 20. Juni 1819 in Deutz, heute ein Stadtteil von Köln; † 5. Oktober 1880 in Paris; geboren als ) war ein Cellovirtuose, Komponist und Musiktheater-Impresario deutsch-jüdischer Abstammung. Er gilt als Begründer der modernen Operette als eigenständiges und anerkanntes Genre des Musiktheaters.
Der Vater Isaac bringt 1833 den gerade 13jährigen zusammen mit seinem lebenslang im Schlagschatten des jüngeren stehenden älteren Bruder Julius nach Paris, wo Jacques an das Convervatoire aufgenommen wird. Dort hält er es aber nicht lange aus. Die nun folgenden zwei Jahrzehnte arbeitet sich Offenbach als Privatmusiklehrer, Violoncello-Virtuose und Salonkomponist nach oben. Neben seinen regelmäßigen Auftritten in den Pariser Privatsalons organisiert er Konzerte in Paris und Köln. Durch das geschickte Lancieren von Pressemeldungen weiß er sich in das Bewusstsein der musikalischen Öffentlichkeit zu bringen. Auch nach 1855, als Jacques Offenbach mit der Gründung der "Bouffes Parisiens" eine zweite Karriere beginnt, bleiben seine Erfolge als Cellist weithin bekannt. Erst nach seinem Tod verändert sich der Blickwinkel auf Jacques Offenbach: Seine rund 75 vollendeten Cello-Kompositionen werden durch seine knapp mehr als einhundert Bühnenwerke - weitgehend für und um das "Bouffes Parisiens" entstanden - verdrängt.
Die Epoche der geistreich-satirischen Musikwerke Offenbachs endete mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und dem Zusammenbruch des Ancien Régime. Offenbachs Lieblingsinterpretin Hortense Schneider verließ das "Bouffes Parisiens", seine Librettisten wandten sich dem Sprechtheater zu, er selbst musste sein Theater 1874 verkaufen. Doch der vielseitige Notenschöpfer schrieb weiter, in erster Linie komische und Märchenopern. Seine am Lebensende komponierte Oper "Hoffmanns Erzählungen" wird gern als das Requiem eines Komponisten, der am Lebensende "doch noch etwas Richtiges" komponiert hat, dargestellt. Der Erfinder der Operette wird über diese Oper hinaus heute fast nur mit seinen großen Ausstattungs-Operetten (Pariser Leben, Orpheus in der Unterwelt, La Belle Hélène ...) gespielt, da diese am ehesten dem herrschenden Klischee von Operette und unbeschwerter Unterhaltung entsprechen. Tatsächlich hat Offenbach aber neben seinen Operetten immer wieder Opern geschrieben: von der großen romantischen Oper "Die Rheinnixen" (1864) über komische Opern wie "Robinson Crusoe" (1867), "Vert-Vert" (1869) oder "Fantasio" (1872) bis zu seinem erst posthum aufgeführten Spätwerk "Hoffmanns Erzählungen" (1881).
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